Kunstinstallationen, die innehalten lassen. Interaktive Ausstellungen, die zum Nachdenken anregen. Freudige Entdeckungen von Geschichten, die mancher bereits zu kennen glaubte.
All das findet man in Manitoba, wenn man indigene Stätten und Sehenswürdigkeiten besucht und dabei ein besseres Verständnis für die gemeinsame Geschichte(n) und die einzigartigen Kulturen der Provinz entwickelt.
Ein Besuch in Manitoba bedeutet eine Reise durch das Gebiet von Treaty 1, 2, 3, 4, 5, 6 und 10 – d.h. sieben der insgesamt elf „Numbered Treaties“, die von 1871 bis 1921 zwischen der kanadischen Regierung und verschiedenen indigenen Gruppierungen geschlossen wurden – und somit im traditionellen Land der Anishinabe, Anish-Ininiwak, Cree, Oji-Cree, Dakota, Dene, Ininiwak und Nehethowuk sowie in der Heimat der Métis, den Nachkommen von indigenen Frauen und europäischen Pelzhändlern.
Ein Ort wider das Vergessen: National Indigenous Residential School Museum of Canada
Mehr als 60 Jahre lang trug das dreistöckige Backsteingebäude in der Nähe von Portage la Prairie zu einem der beschämendsten Kapitel Kanadas bei – es beheimatete das System der „Residential Schools“. So nannte man die bis zu 3.000 internatsähnlichen Institutionen in ganz Kanada, in denen als Folge der Kolonialpolitik ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bis ins Jahr 1996 ausschließlich indigene Schüler zwangsweise untergebracht und unterrichtet wurden.
Mehr als 150.000 Kinder wurden in dieser Zeit von ihren Familien getrennt und damit von ihrer Kultur und ihrer Muttersprache ferngehalten. Diese Umerziehungsmaßnahmen führten über Generationen zu einer nachhaltigen Entwurzelung und dem Verlust von traditionellem Wissen, von Lebensweise, Sprache und Familienstrukturen sowie der Verbundenheit zum Land.
Inzwischen hat sich das Rufus Prince Buildung – benannt nach einem Überlebenden der Portage La Prairie Indian Residential School, der im Zweiten Weltkrieg diente und schließlich Häuptling der Long Plain First Nation wurde – von einem Ort des Schmerzes in einen Ort der Aufarbeitung verwandelt.
Im Inneren des Gebäudes befindet sich das National Indigenous Residential School Museum, wo Artefakte, Bilder und Dokumente an die Schulbesucher erinnern und die Überlebenden auf ihrem Weg der Heilung unterstützen. Gleichzeitig stellt das Museum eine Hommage an die Geschichte der Ureinwohner dar, an ihre lebendige Kultur, ihre Geschichten und Sprachen.
Ein Ort für indigene Geschichten: Canadian Museum for Human Rights
In der Provinzhauptstadt Winnipeg ist die Galerie für indigene Perspektiven im Canadian Museum for Human Rights ein Ort mit Tiefgang, an dem die Geschichte und Geschichten der Ureinwohner erzählt werden.
Der eigens dafür eingerichtete Ausstellungsbereich ist komplex, manchmal unbequem und immer eindrucksvoll, aber er ist nicht der einzige Ort des Museums, an dem die Geschichten der Ureinwohner erzählt werden.
In der gesamten Ausstellung kollidiert die Geschichte der kolonialen Verletzungen mit beeindruckenden Kunstwerken und zum Nachdenken anregenden Bildern, was einen modernen und sich ständig weiterentwickelnden Blick auf die Menschenrechte bietet. Man sollte sich unbedingt etwas Zeit nehmen, um in die vielfältigen Erfahrungen indigener Völker einzutauchen und auf unerwartete Enthüllungen zu treffen.
Ein Ort für zeitgenössische indigene Kunst: Urban Shaman
Seit dem Jahr 1996 ist Winnipegs Urban Shaman Contemporary Aboriginal Art Gallery der beste Ort, um einen Blick auf die zeitgenössische Kunst der First Nations, Métis und Inuit zu werfen.
Das von Künstlern geführte Zentrum zeigt Bizarres und Schönes und stellt die Vorstellungen der Menschen von indigener Kunst in Frage. Von Ausstellungen über die Geschichte der Birkenrindenrollen bis hin zur Erforschung der traditionellen Weberei als Medium zum Geschichtenerzählen – die Galerie ist die erste Adresse für inspirierende und überraschende indigene Kunst.
Eine erste Vorschau gibt es auf der Website der Galerie, die neben Englisch auch in den Sprachen Cree, Ojibwe, Dakota, Dene, Michif, Oji-Cree und Inuktitut informiert.
Die weltweit größte zeitgenössische Kunstsammlung der Inuit: Qaumajuq
Es handelt sich um die größte öffentliche Sammlung zeitgenössischer Inuit-Kunst in der Welt. Qaumajuq ist Teil der Winnipeg Art Gallery und beherbergt 14.000 Exponate, darunter Schnitzereien, Zeichnungen, Drucke und Textilien, die die Geschichte der Menschen des Nordens erzählen.
Die unverwechselbare weiße Steinfassade des Gebäudes spiegelt die Weite der Landschaft wider, während die Besucher im Inneren von einer dreistöckigen Kammer aus Glas mit Tausenden von Inuit-Schnitzereien empfangen werden. Einen ersten Eindruck von der Ausstellung vermitteln die Außenprojektionen zeitgenössischer Inuit-Kunstwerke und -Bilder, die allabendlich über die Fassade tanzen.
Ein Ort für die Geschichte des Handels: die HBC Gallery
Die Geschichte des ältesten Handelsunternehmens der Welt – die Hudson’s Bay Company – und ihrer komplizierten Beziehung zu den indigenen Völkern wird in der HBC Gallery im Manitoba Museum in Winnipeg erzählt.
Man geht davon aus, dass mindestens die Hälfte der Artefakte durch Kauf, Handel, zeremoniellen Gabentausch und Schenkungen von Pelzhändlern und ihren Familien erworben wurde. Sie veranschaulichen den Alltag der Pelzhandelsära.
Ein zeitloser Ort: Thompson
Die Blockbauten, in denen das Heritage North Museum in Thompson untergebracht ist, tragen zum authentischen nördlichen Flair dieses Ortes bei. Sie sind mit Artefakten aus der Geschichte des Pelzhandels in der Region, einem Diorama des borealen Waldes und einem Tipi aus Karibu-Fell ausgestattet.
Unter freiem Himmel erinnert eine Schmiede an die Zeit, in der die Dinge noch von Hand, mit Sorgfalt und Handwerkskunst hergestellt wurden. Und der Museumsshop ist einer der besten Orte in der Stadt, um ortstypische Souvenirs wie Wildreis, Pelzprodukte, Arctic Gold Honey und die Werke lokaler Künstler zu kaufen, die von den Polarlichtern, den tiefen, dunklen Wäldern und der reichhaltigen Tierwelt inspiriert wurden.
Ein Ort, der boomte: Cranberry Portage
Vor fast einem Jahrhundert gab es in der Stadt Cranberry Portage im Norden Manitobas gerade mal sechs Geschäfte, acht Restaurants, zwei Theater, ein Hotel und eine Wochenzeitung.
Als jedoch die Goldschürfer auf der Suche nach Schätzen in den Norden zogen, wurde die Stadt zum Inbegriff einer Boomtown. Aber bereits davor war dieser Ort eine wichtige Portage zwischen den Wassereinzugsgebieten des Grass River und des Saskatchewan River, die von indigenen Reisenden rege genutzt wurde.
Diese und weitere Geschichten werden im Cranberry Portage Heritage Museum erzählt, das im stillgelegten Bahnhof der Stadt untergebracht ist.
Ein Muss in Churchill: Itsanitaq
Auf Inuktitut, der Sprache der Inuit, bedeutet Itsanitaq „Dinge aus der Vergangenheit“. In diesem ganz besonderen Museum in Churchill findet man atemberaubende Inuit-Schnitzereien, Kleidung, Werkzeuge, Boote und einige wirklich einzigartige Artefakte, wie beispielsweise eine winzige Schnitzerei, die aus den Zähnen des Schnitzers selbst gefertigt wurde.
Die Sammlung zählt zu den weltweit schönsten und ältesten ihrer Art und umfasst Exponate aus verschiedenen Epochen. Im Museumsshop gibt es eine beeindruckende Auswahl an Büchern über den Norden Kanadas, viele in Handarbeit gefertigte Artikel der Inuit, schöne Kunst- und Postkarten sowie Leckereien aus lokalen Wildbeeren und sogar Gelee aus Fireweed, dem arktischen Weidenröschen.
Ein Ort über das Leben von Louis Riel
Er hat einen besonderen Platz in der Geschichte und in den Herzen der Menschen in Manitoba: Louis Riel. Als Anführer der Métis, d.h. der Nachfahren europäischer Pelzhändler und Frauen indigener Abstammung, gelang es ihm in der Red River Widerstandsbewegung, eine eigene Provinz innerhalb der Dominion of Canada zu erkämpfen.
Er wurde Vorsitzender der provisorischen Regierung, der ersten demokratisch gewählten Regierung im Rupert’s Land, und handelte 1870 den Beitritt Manitobas als erste westliche Provinz in die kanadische Konföderation aus. Er gilt daher bis heute als Gründervater Manitobas.
Ein Besuch der Riel House National Historic Site gibt einen persönlichen Einblick in das Leben von Louis Riel. Das restaurierte Wohnhaus, in dem Nachkommen der Familie Riel bis zum Jahr 1969 lebten, stellt die einzigartige Mischung aus indigenen und europäischen Völkern, aus der die Métis Nation entstand, unter Beweis.
Auf den Spuren von Louis Riel
Auch im St. Boniface Museum ist der Geist von Louis Riel allgegenwärtig. Es befindet sich in einem der ältesten Gebäude der Stadt, das ursprünglich ein Kloster der Grauen Nonnen (Sisters of Charity) war und später als Krankenhaus und Schule genutzt wurde.
Auch Riel war hier einst Schüler. Das Museum bietet verschiedene Führungen an. Beim Moccasin Walk erfährt man viel über das Leben der Métis und ihre Sprache Michif. Die Friedhofstour umfasst dagegen die Erkundung des ältesten Friedhofs Westkanadas mit einer sehr wichtigen Grabstätte – der von Louis Riel.