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Wie unsere Vorfahren Philadelphia geprägt haben

Ganz schön deutsch

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Oktoberfest at Frankford Hall (c) Frankford Hall
Oktoberfest at Frankford Hall (c) Frankford Hall
Für viele deutsche Auswanderer war Philadelphia, die Metropole an der Ostküste der USA, erster Anlaufpunkt und Projektionsfläche großer Wünsche und Träume. Und trotzdem, so ganz von ihrer Heimat lösen konnten und wollten sich die Glücksuchenden dann doch nicht – eine Tatsache, die die Region bis heute beeinflusst. 
Auf Spurensuche

Eine Welle von deutschen Einwanderern fand im 17. und 18. Jahrhundert in der Region um Philadelphia eine neue Heimat – getrieben von dem Wunsch nach religiöser Freiheit, die ihnen von William Penn, dem Gründungsvater der Stadt, zugesichert wurde. Penn, gebürtiger Brite und praktizierender Quäker, unternahm eine Reihe von Pilgerfahrten nach Deutschland, um die dort Heimischen davon zu überzeugen, ihm in die neue Kolonie auf der anderen Seite des Ozeans zu folgen. Bei seinen Reisen nach Deutschland und in die Niederlande im Jahr 1677 gelang es ihm, die Neugier deutschstämmiger Mennoniten, Quäker und Amish zu wecken und viele entschieden sich, die fünfmonatige Reisen über die bewegte See zu wagen. Unter den kühnen Abenteurern befand sich auch Gottlieb Mittelberger, der seine Erinnerungen an die lange und mühevolle Reise niederschrieb – sogar für die Kräftigsten und Leistungsfähigsten unter den Glückssuchenden eine beschwerliche und strapaziöse Erfahrung – oft aber auch der Weg zu ungeahnten neuen Möglichkeiten, Arbeit und Reichtum.

Im Jahr 1840 erlangte John Wagner lokale Berühmtheit, als es ihm gelang, eine Ladung Brauereihefe von Bayern aus ins Land zu schmuggeln und damit das erste Lagerbier in der Neuen Welt zu brauen – genau gesagt in der 455 St. John Street. Diese historische Adresse hat den Grundstein gelegt für eine der besten Craft Beer Kneipen in Philadelphia: Standard Tap in der North 2nd Street im Stadtteil Northern Liberties. Mit seinem Alleingang hatte es Wagner geschafft, das Lagerbier in der Stadt zu verbreiten. Mit rund 30 Brauereien, die das untergärige Getränk nach deutschem Vorbild brauten, stand die Sorte auf der Beliebtheitsskala ganz oben.

“Vor der Prohibition bevölkerten eine Fülle an deutschen Brauereien die Stadtteile Northern Liberties und Brewerytown, um den Durst der Philadelphians zu stillen“, erzählt Doug Hager, Besitzer des Brauhaus Schmitz, eine von Phillys authentischsten deutschen Gaststätten. “Namen wie Wagner, Menger und Engel oder Wolf, Schmidt und Ortlieb – sie alle brauten Bier in dieser Region der Stadt. Bis heute nimmt das Lagerbier eine bedeutende Rolle in Philadelphia ein, genau wie unsere Bierkultur im Allgemeinen.“

Brauhaus Schmitz, in der South Street, Block 700 gelegen, ist ohne Zweifel der beste Ort im Land, um ein echtes deutsches Bier und ein hausgemachtes Schnitzel mit Spätzle zu genießen. Hagers Restaurant importiert die angebotenen Getränke aus Deutschland und arbeitet mit renommierten Brauereien wie Andechs und Ayinger zusammen, um auch seltene Sorten anzubieten, die man sonst auf keiner Karte findet. Das jährliche Starkbierfest und die Maifest Block Party unterstreichen die Bindung zur deutschen Kultur. Im Brauhaus findet außerdem eines der größten Oktoberfeste der USA statt. Während der zwei Tage des Festivals gehen rund 152 Fässer Bier und mehr als 900 Kilo Schweinebraten und Würstchen über die Theke. Sein Ruf eilt dem Brauhaus weit voraus – als Ex-Nationalspieler Jürgen Klinsmann für ein Training der US-Herrenfußballnationalmannschaft in der Stadt war, hat er im Brauhaus Schmitz gegessen – wo sonst?

Nicht ganz unbescheiden merkt Hager an, dass sein Restaurant über die weltweit größte Auswahl an deutschen Bieren und authentischer Küche verfügt. Er erklärt weiter, dass an jeder Ecke Philadelphias der deutsche Einfluss spürbar sei, egal ob in der Architektur, in Kunst, Wissenschaft und Medizin oder in den schönen Parks mit den beeindruckenden Monumenten.

South Street Oktoberfest | Credit Brauhaus Schmitz

Auch wenn es ums Feiern geht, zeigen sich die Menschen in Philadelphia ziemlich einfallsreich. Die Wurzel der Inspiration liegt auch hier häufig in Deutschland. Die berühmte Mummers Parade am Neujahrstag unterscheidet sich zum Beispiel gar nicht so sehr von unserem Karneval – beide Veranstaltungen sind geprägt von originellen, farbenfrohen Verkleidungen, bunten Umzügen durch die Straßen und von der Devise Spaß zu haben und sich zu amüsieren.

Der deutsche Einfluss in der City of Brotherly Love erstreckt sich aber nicht nur auf die Erhaltung von alten Traditionen. Manchmal werden diese auch weiterentwickelt und es entsteht etwas ganz Neues und Besonderes, wie zum Beispiel die Philly-Style Soft Pretzels, die sich über die Jahre zu einem Grundnahrungsmittel auf den Straßen der Stadt entwickelt haben und nicht ohne Grund von Gästen aus aller Welt mit Lobeshymnen bedacht werden.

Zurück zum Bier – was auch sonst? In Pennsylvania findet man dutzende Brauereien, Weingüter und Keltereien, die ihre Erzeugnisse nach bayerischen Rezepten herstellen und so der alten Heimat Respekt zollen. Insgesamt gibt es schätzungsweise rund 300 Brauhäuser im ganzen Staat.

Es wird niemanden erstaunen, dass die größte Gruppe an Deutsch-Amerikanern des Landes in Pennsylvania angesiedelt ist, mit rund 3,5 Millionen Menschen, die auf Wurzeln in unseren Breitengraden zurückblicken können. Im Jahr 1683 war Germantown eine der ersten deutsch-amerikanischen Siedlungen der USA. Tatsächlich war die National German-American Alliance der erste bekannte Verband ethnischer deutscher Vereinigungen, gegründet im Jahr 1901 von Charles Hexamer in – auch das keine Überraschung – Philadelphia.

“Pennsylvanias Klima ist dem im Süden Deutschlands sehr ähnlich und Philadelphias Stadtviertel Germantown galt rund 300 Jahre lang als bedeutendster Startpunkt für deutsche Einwanderer nach Nordamerika“, so die Aussage von Marnie Old, Schriftstellerin und Mitglied des Board of Directors der German Society of Philadelphia. Und weiter: „Das schlägt sich in der außergewöhnlichen Qualität unserer Lager und anderer deutscher Biere ebenso nieder wie im Einfluss auf die Landwirtschaft im Pennsylvania Dutch Country.”

Das von Old organisierte und beliebte „Bierfest“, das ganz im Zeichen des typisch deutschen Gerstensaftes steht, findet seit 2011 jedes Jahr Ende Februar bei der German Society in Northern Liberties statt, gleich neben dem Edgar Alan Poe House. Auf dem Festival werden nur solche Biere ausgeschenkt, die gemäß dem deutschen Reinheitsgebot von 1516 gebraut wurden – und darauf sind die Ausrichter stolz!

Seit ihrer Gründung am 26. Dezember 1764 ist die German Society eine feste Einrichtung und zählt zu den ältesten deutsch-amerikanischen Institutionen in den USA. Die Bibliothek beherbergt die größte Sammlung an deutscher Literatur außerhalb einer Universität und im angebotenen Abendschulprogramm haben hunderte Philadelphians Deutsch gelernt. Die German Society verfügt sogar über eine deutsche Übersetzung der Unabhängigkeitserklärung und auch ein Original-Stück der Berliner Mauer ist hier zu sehen.

One Liberty (c) One Liberty Observation Deck
One Liberty (c) One Liberty Observation Deck

Architektur war und ist ein ebenso bedeutendes Thema in der Stadt. One Liberty Place in Center City war der erste Wolkenkratzer Philadelphias. Er entstand nach einem Entwurf des berühmten deutschen Architekten Helmut Jahn in Anlehnung an das Chrysler Building in New York. Deutlich spürbar ist der deutsche Einfluss auch im Stadtteil Old City, wo Kopfsteinpflasterstraßen und neoklassizistische Architektur das Bild prägen.

Besucher aus Deutschland sind immer sehr angetan von den historischen Plätzen des Bezirks, wo man sich ins Europa des 18. Jahrhunderts zurückversetzt fühlt“, sagt Old. Viele Touristen besuchen das geschichtsträchtige Viertel, weil sie sich für die Amerikanische Revolution interessieren. Sie möchten mehr darüber erfahren, warum sich die USA in der Kolonialzeit von England distanziert haben. Wenn sich Deutschland auch weitestgehend aus den kriegerischen Handlungen herausgehalten hat, hat die britische Armee dennoch rund 30.000 deutsche Truppen, die sogenannten “Hessians” rekrutiert, um den Widerstand niederzuschlagen. Viele dieser Männer ließen sich nach Beendigung des Krieges in den USA nieder, ein Großteil davon in Pennsylvania. All diese heute noch lebendigen Erinnerungen an die Geschichte zu sehen und zu erleben, ist für viele Besucher ein unvergessliches Erlebnis.

Mehr Informationen über Philadelphia kann man hier nachlesen: https://www.discoverphl.com

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